Auch in Berlin haben die Grünen bei der Europawahl einen dramatischen Stimmenverlust erlebt. Nach Auszählung von mehr als 99,9 Prozent der Stimmbezirke bleiben sie mit 19,6 Prozent zwar wie schon bei der vorherigen Europawahl stärkste Kraft. Dennoch müssen sie Einbußen von mehr als acht Prozentpunkten hinnehmen. Bei der Wahl im Jahr 2019 hatte die Partei in Berlin mit 27,8 Prozent noch ein historisch gutes Ergebnis erzielt.
Die CDU legte mit 17,6 Prozent (plus 2,4 Prozentpunkte) leicht zu und verteidigte den zweiten Platz. Die SPD landete mit leichten Verlusten bei 13,2 Prozent auf Platz drei. Deutliche Zugewinne gab es für die AfD, sie konnte um 1,7 Prozentpunkte auf 11,6 Prozent zulegen.
Dramatische Verluste erlitt die Linkspartei. Sie rutschte um mehr als vier Prozentpunkte auf 7,3 Prozent ab und wurde sogar vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) überholt. Die Abspaltung früherer Linke-Genossen kommt aus dem Stand auf 8,7 Prozent. Die FDP verlor leicht und landete bei 4,3 Prozent.
17,7 Prozent der Wählerinnen und Wähler gaben den sonstigen Parteien ihre Stimme. Die europaorientierte Kleinpartei Volt überholte die FDP und kam auf knapp 4,8 Prozent. Die Satirepartei „Die Partei“ landete bei 3,4 Prozent, dieTierschutzpartei bei 2,1 Prozent. Die Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ kamen auf 0,6 Prozent.
Sieger von West nach Ost: Schwarz, Grün, Blau
Auffällig ist die Entwicklung in den Bezirken. Die AfD holte in Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick die meisten Stimmen, die Grünen waren Sieger in Pankow, Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg, Charlottenburg-Wilmersdorf, Tempelhof-Schöneberg und Neukölln. Die CDU gewann in Reinickendorf, Spandau und Steglitz-Zehlendorf.
Die Wahlbeteiligung in den ausgezählten Wahlbezirken erreicht mit 61,2 Prozent erneut einen Rekordwert. Bei der Europawahl 2019 hatten 60,6 Prozent der Berlinerinnen und Berliner abgestimmt. Das war der bis dato höchste Wert bei Europawahlen in Berlin (Bund: 61,4 Prozent).
Nach Angaben von Landeswahlleiter Stephan Bröchler gab es bis zum Mittag keine besonderen Vorkommnisse. „Die Wahl verläuft bisher ruhig.“ Bröchler besuchte am Morgen ein Wahllokal in einem Jugendzentrum im Bezirk Lichtenberg und brachte den Wahlhelfern Popcorn zum Dank.
Die Wahl zum Europäischen Parlament sei sehr wichtig, sagte er. Sie sei eine Möglichkeit, ein Zeichen für ein starkes Europa zu setzen. Das vorläufige Berliner Ergebnis wird laut Landeswahlleitung in der Nacht zum Montag gegen 1.00 Uhr erwartet.
Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) gab seine Stimme für die Europawahl ab. Wegner kam am Sonntagmorgen zum Wahllokal in der Grundschule am Ritterfeld in Berlin-Spandau. „Meine große Hoffnung ist tatsächlich, dass viele Berlinerinnen und Berliner wählen gehen und dass wir ein klares Signal setzen für Demokratie, für Freiheit, für Zusammenhalt und nicht für Spaltung“, sagte Wegner der dpa am Sonntag.
© dpa/Christoph Soeder
Neben den Berlinern mit deutscher Staatsbürgerschaft sind auch in der Stadt lebende Bürgerinnen und Bürger aus anderen EU-Staaten wahlberechtigt. Bröchler zufolge ließen sich rund 18.000 von ihnen in ein Berliner Wählerverzeichnis eintragen und können somit hier abstimmen.
In Berlin war Wahlmüdigkeit befürchtet worden
Gewählt werden 720 Abgeordnete des EU-Parlaments. Eine Fünf-Prozent-Hürde wie bei Wahlen auf Bundes- und Landesebene gibt es nicht. In Berlin stehen 34 Parteien auf dem Stimmzettel (2019: 40). Nur die CDU tritt mit einer Landesliste an, Berliner Spitzenkandidatin ist die Europaabgeordnete Hildegard Bentele.
Auf den Bundeslisten der anderen Parteien finden sich Politiker und Politikerinnen aus Berlin an mehr oder weniger prominenter Stelle: Die SPD-Europaabgeordnete Gaby Bischoff etwa rangiert auf Listenplatz sieben, der Grünen-Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky auf Platz zwei. Beide Spitzenkandidaten der Linken-Bundesliste, Parteichef Martin Schirdewan und Carola Rackete, kommen aus Berlin. Auf der AfD-Liste steht der Berliner Alexander Sell auf Platz 15.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
So mancher in Berlins Politikbetrieb hatte im Vorfeld eine gewisse Wahlmüdigkeit befürchtet: Wahl zum Abgeordnetenhaus, Bundestagswahl und Volksentscheid im September 2021, Wiederholung der Wahl für das Landesparlament im Februar 2023, Teilwiederholung der Bundestagswahl im Februar 2024 – zuletzt ging es Schlag auf Schlag. Und 2025 geht es mit der Bundestagswahl weiter, 2026 folgt die nächste Abgeordnetenhauswahl.
Die Briefwahl spielt bei Wahlen seit vielen Jahren eine immer wichtigere Rolle. Der Trend zeigt sich auch dieses Mal: Nach Angaben der Landeswahlleitung beantragten in Berlin rund 30 Prozent der Wahlberechtigten entsprechende Unterlagen, deutlich mehr als bei der Europawahl 2019.
Rund 2,5 Millionen Berlinerinnen und Berliner waren zur Europawahl aufgerufen worden. Ab 8.00 Uhr hatten die Wahllokale geöffnet, sie schlossen um 18.00 Uhr. (Tsp, dpa)
